Audi Q8 e
Mit dem Q8 e-tron hat Audi die überarbeitete Version seines ersten Elektroautos, des e-tron quattro, auf den Markt gebracht. Das Testauto, das uns Audi zur Verfügung gestellt hat, ist etwa doppelt so teuer wie das Tesla Model Y Long Range, eines der meistverkauften Elektroautos. Aber ist der Audi doppelt so gut?
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Der vor unserem Haus geparkte Audi Q8 Sportback e-tron Baujahr 2024 kostet 115.400 Euro. Es ist in „Soneira Red Metallic“ lackiert und verfügt über eine neue 114-kWh-Batterie. Zugegeben, auch mit dieser Batterie und dem 300-kW-Antrieb ist der Q8 e-tron Sportback ab 87.550 Euro zu haben. Aber dass ein Premium-Auto eines deutschen Herstellers mit allerlei (margenträchtigen) Extras in Sachen Lack, Felgen und Ledersitze individualisiert werden kann, ist praktisch zum Geschäftsmodell geworden. Beispielsweise kostet die Lackierung „Soneria Red“ 1.800 Euro extra, Details wie die roten Bremssättel kosten 400 Euro, die schwarzen Außenspiegelgehäuse 350 Euro und so weiter. Mit anderen Worten: Sie müssen bezahlen, wenn Sie die Standardfarbe nicht möchten.
Allerdings kosten viele Features, die Kunden von einem Auto dieser Preisklasse erwarten, extra. So sind beispielsweise elektrisch verstellbare und beheizbare Außenspiegel (350 Euro), ein automatisch abblendender Innenspiegel (175 Euro) und sogar die Sitzheizung für die Vordersitze muss bezahlt werden (350 Euro). Die Sitzbelüftung kostet nochmals 800 Euro extra, die „Einzelkontursitze“ 2.500 Euro und das Leder „Valcona“ 2.350 Euro. Die „Komfort-Mittelarmlehne vorn“ kostet nur 200 Euro. Mit ein paar technischen Features erreicht der Bruttolistenpreis schnell einen sechsstelligen Betrag.
Ein Tesla Model Y Long Range ist – wenn man wie beim Q8 e-tron die Antriebsvariante mit der größten Reichweite wählt – bereits für 57.667,50 Euro ohne Zuschüsse zu haben. Zugegebenermaßen funktioniert unsere eingangs aufgestellte Überschlagsrechnung mit dem doppelten Preis nur für das Model Y Long Range ohne Extras. Rechnet man das „Midnight Cherry Red“, die schwarzen 20-Zoll-Räder und den erweiterten Autopiloten hinzu, um auf ein vergleichbares Niveau zu kommen, kostet der Tesla ebenfalls 66.867,50 Euro. Nicht mehr halb so viel wie der rote Q8 e-tron, aber immer noch deutlich günstiger.
Auf dem Papier geht ein für viele Kunden immer noch wichtiger Vergleich zum Audi: Der Sportback hat eine WTLP-Reichweite von bis zu 600 Kilometern, der Tesla von bis zu 565 Kilometern – in beiden Fällen bleiben jedoch ausstattungsspezifische Besonderheiten unberücksichtigt Dabei handelt es sich um die Werte der sparsamsten Geräte. Fakt ist aber auch, dass der Audi mit 114 kWh (106 kWh netto) eine deutlich größere Batterie braucht, um das Model Y bei der Normreichweite zu übertreffen. Da der Tesla aber mehr als 700 Kilogramm leichter ist, beschleunigt der Long Range (wieder auf dem Papier) 0,6 Sekunden schneller als der 55 Q8 e-tron.
Während man die sechs Zehntelsekunden im Alltag kaum spüren wird, konnten wir nach mehreren tausend Kilometern im Model Y und einigen hundert Kilometern im Q8 e-tron feststellen, dass die praktische Reichweite bei beiden Fahrzeugen liegt etwa zwischen 300 und 400 Kilometer – je nach Fahrprofil und Umgebung. Das bedeutet natürlich auch, dass der Verbrauch des Q8 e-tron ein gutes Stück höher ist – je nach Fahrstil zwischen 5 und 8 kWh pro 100 Kilometer, auf Kurzstrecken oder schnellen Autobahnetappen teilweise sogar noch mehr. Je gefahrener Kilometer sind die Energiekosten entsprechend höher.
Der Verbrauch war schon beim e-tron quattro keine Stärke. Das Audi-Konzept mit Asynchronmotoren ist insbesondere im Teillastbereich wenig effizient. Mit der Modellpflege des Q8 e-tron haben die Ingenieure den Antrieb optimiert: Der Stator des Elektromotors an der Hinterachse verfügt nun über 14 statt zwölf Wicklungen. Bei gleicher Stromaufnahme erzeugt der Motor ein stärkeres Magnetfeld und sorgt so für ein höheres Motordrehmoment. Wird es nicht genutzt, benötigt der Elektromotor weniger Strom, um ein Drehmoment aufzubauen, was den Verbrauch senkt und die Reichweite erhöht – ein wenig. Doch auch die beiden zusätzlichen Wicklungen machen den Audi nicht zu einem Vorbild an Effizienz. Ein Verbrauch von unter 20 kWh/100km (laut Bordcomputer) war nur bei betont verhaltener Fahrweise im Eco-Modus möglich. Allerdings sind 24-25 kWh/100km eher die Regel als die Ausnahme.
Bei Fahrzeugen dieser Klasse dürften die Energiekosten nur eine untergeordnete Rolle spielen. Dennoch ist der Verbrauch einer der wichtigen Faktoren für die Langstreckentauglichkeit. Reichweite und Verbrauch sind wiederum zweitrangig, wenn man den Q8 e-tron zum Pendeln nutzt und an der Wallbox zu Hause oder auf dem Firmengelände laden kann. Bei langen Distanzen gibt es noch einen weiteren Punkt zu beachten: schnelles Laden.
Beim Schnellladen ist der e-tron quattro für seine außergewöhnliche Ladekurve bekannt. Die 95-kWh-Batterie wird weiterhin als Q8 50 e-tron angeboten und könnte mit 150 kW auf knapp 90 Prozent geladen werden. Allerdings hat sich Audi inzwischen von dieser einzigartigen Ladekurve verabschiedet. Die Spitzenleistung beträgt zwar 170 kW bei rund 60 Prozent SoC (State of Charge), sinkt danach aber stetig ab. Das zeigt zumindest ein Diagramm der Ladekurve, das Audi selbst zur Premiere des Q8 e-tron veröffentlicht hat.
Die 170-kW-Marke haben wir jedoch nie gesehen, trotz Navigation zur Ladestation und optimalen Temperaturen von knapp über 20 Grad. Bei 148 kW blieb es stehen – mehr oder weniger gleich viel wie zuvor. Unterhalb von 35 Prozent liegt die Ladekurve zudem nicht auf diesem Niveau und ist bei 70 Prozent SoC gekappt, wo mit dem kleineren Akku vor dem Facelift noch lange Zeit die volle Ladeleistung zur Verfügung stand.
In unserem hypothetischen Vergleich mit dem Model Y Long Range gibt es keinen wirklichen Gewinner beim Schnellladen. Bis etwa 35 Prozent liegt Tesla vorne, dann fällt die Kurve jedoch stetig ab, während der Audi bei 148 kW sein Plateau erreicht. Da der effizientere Tesla jedoch weniger Energie nachladen muss, um 80 Prozent SoC zu erreichen, dauert der Standardladevorgang von zehn auf 80 Prozent in beiden Fällen rund 30 Minuten. Allerdings hat der Tesla klare Vorteile, wenn man am letzten Ladestopp einer langen Fahrt zum Ziel schnell von zehn auf 40 Prozent nachlädt.
Muss man für den Audi also einen sechsstelligen Preis bezahlen, um eine vergleichbare praktische Reichweite und Ladezeit zu haben?
Ganz so einfach ist der Vergleich natürlich nicht. Ein gutes Fernerlebnis erfordert beispielsweise eine gute Routenführung und Ladeplanung. Die Vorschläge, die Audi macht, sind durchaus solide. Bei einer Batterieladung von 90 Prozent sind beispielsweise Berlin und Kopenhagen von Düsseldorf aus mit jeweils zwei Ladestopps erreichbar – für die Strecke nach Berlin errechnet sich lediglich eine Gesamtladezeit von 34 Minuten. Das liegt auf einem durchaus akzeptablen Niveau und entspricht in etwa den Pausen, die man auf einer knapp 600 Kilometer langen Strecke ohnehin einlegen sollte.
Die Routenplanung selbst ist beim Audi etwas umständlicher, da das Fahrzeug zunächst eine Route berechnet, bevor der Fahrer bestätigen muss, dass das Ziel mit dem aktuellen SoC nicht erreichbar ist und das System automatisch Ladestopps auswählen soll. Mit dem Tesla-Navigationssystem ist das einfacher, solange Sie Supercharger nutzen. Wenn Sie an den Ladestationen anderer CPOs laden möchten, ist der Tesla komplizierter.
Der Vergleich der Softwarefunktionen lässt sich nahezu endlos fortsetzen: Wer eine Ladestation in der Nähe finden möchte, für den bietet Tesla die bessere Funktion an. Hier können Sie zwischen einem, zwei oder drei Blitzen (AC, DC oder HPC) wählen und das Auto zeigt alle passenden Übereinstimmungen an. Als wir für einige Stichproben nach der nächstgelegenen HPC-Ladestation im Audi suchten, wurde uns nur eine HPC-Ladestation vorgeschlagen – außerdem eine AC-Ladestation und ein DC-Ladegerät von Elli mit nur 20 kW. Eine Auswahl an HPC-Ladestationen stellte Audi nicht zur Verfügung.
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Eine einigermaßen einfache Softwarefunktion, bei der der Tesla die Nase vorn hat, ist das Senden eines Ziels vom Smartphone an das Auto. Beim Model Y wird die Routenführung zum gewünschten Ziel sofort beim Einsteigen aktiviert. Beim Audi erscheint die Adresse erst unter „Letzte Ziele“ und in unserem Test teilweise mit mehreren Minuten Verzögerung. Obwohl das Fahrzeug laut Anzeige Zugang zum Internet hatte. Einsteigen und sofort losfahren ist auf Dauer angenehmer, als es sich zunächst anhört.
Ein kleines Detail am Rande: Bei der Programmierung der 3D-Ansicht des Fahrzeugs auf Basis der Bilder der 360-Grad-Kameras haben es die Audi-Entwickler versäumt, die Grafik des Fahrzeugs anzupassen. Dort präsentiert der e-tron quattro seinen markanten Kühlergrill. Der Funktionalität tut es keinen Abbruch und es soll kein Punkt gegen Audi sein. Aufgrund der Positionierung der Kameras verfügt der Tesla nicht einmal über eine 360-Grad-Ansicht, geschweige denn über 3D. Da das Display jedoch deutlich größer ist, sind die von den Kameras angezeigten Bilder deutlich detaillierter.
Aber dann gibt es Bereiche, in denen Audi meilenweit die Nase vorn hat. Die Qualität und die Materialien des von uns gefahrenen Model Y aus Grünheide sind nicht mehr auf dem Niveau, das Tesla einst hatte. Im Vergleich zum Q8 e-tron liegen zwischen den beiden Fahrzeugen Welten. Ja, die Aufpreisliste mit all ihren Individualisierungsmöglichkeiten spielt eine Rolle. Tesla bietet nur die Wahl zwischen Schwarz und Weiß. Möchte man zum Beispiel die Kunststoffoberflächen am Lenkrad in Carbon-Optik haben, muss man bei einem 60.000-Euro-Auto eine Zierleiste aus dem Zubehörhandel aufkleben.
Der Audi-Innenraum ist hochwertig, auch wenn die Platzierung des schwarzen Hochglanzkunststoffs fraglich ist. Aber: Im Inneren gab es nach der Modellpflege keine nennenswerten Änderungen. Features wie Spiele oder Videostreaming für die Ladepause haben es nicht in den Q8 e-tron geschafft.
Während Spiele und Videos am Ladegerät auf einem Tablet oder Mobiltelefon abgerufen werden können, gibt es einige Dinge, die man nicht wettmachen kann. Obwohl der Q8 e-tron mit 4,92 Metern deutlich größer ist als das Model Y, geht es im Innenraum nicht so luftig zu. Die Ablagefächer sind kleiner und das Smartphone muss senkrecht in die induktive Ladehalterung in der Mittelkonsole gesteckt werden – beim Tesla befinden sich zwei induktive Ladepads unter dem Touchscreen. Der Rücksitz ist nicht eng, aber weniger geräumig. Der schwarze Dachhimmel im Audi-Testwagen beeinflusst natürlich das Raumgefühl im Vergleich zum Tesla-Glasdach. Allerdings bietet der Q8 e-tron auch weniger Kofferraum. Der Kofferraum ist kleiner als beim Tesla, reicht aber für die Ladekabel aus. Bei der Anhängelast liegt der Q8 e-tron mit 1.800 bis 1.600 Kilogramm an der Spitze.
Bleibt noch ein Aspekt: Fahrkomfort. Hier liegt der Audi noch einmal auf einem anderen Niveau. Das gilt nicht nur für die Abstimmung des Luftfahrwerks (wobei es auch hier kleine Kompromisse gibt), sondern vor allem auch für den Geräuschpegel. Im Audi ist es spürbar leiser, was Fernreisen und Alltagsfahrten deutlich angenehmer macht. Ein Nachteil hinsichtlich der Innenraumakustik ist natürlich das große Tesla-Glasdach.
Am Fahrwerk gibt es wie schon beim e-tron quattro wenig zu kritisieren. Natürlich gibt es Situationen, in denen man das Leergewicht von rund 2,7 Tonnen spürt, etwa beim Einlenken auf nasser Fahrbahn. Insgesamt ist das Gewicht kaum spürbar. Selbst in schnellen Kurven lenkt das Auto neutral und präzise. Im „Eco“-Modus wird die Luftfederung jedoch etwas abgesenkt (zur Optimierung der Aerodynamik). Auf der Fahrwerkshöhe des Modus „Dynamic“ ist die Federung geringer und Sie müssen sich daher zwischen bestmöglicher Aerodynamik und höherem Federungskomfort auf der Autobahn entscheiden. Dies ist jedoch eine Wahlmöglichkeit, die der Model-Y-Fahrer mit der Stahlfederung überhaupt nicht hat.
Vermutlich werden nur wenige Kunden zwischen einem Q8 e-tron und einem Model Y schwanken. Dieser kurze, auf unserer Praxiserfahrung basierende Vergleich ist nicht als Kaufberatung gedacht. Wir wollen nur aufzeigen, wo die Unterschiede liegen: Audi ist im klassischen Automobilbau mit Qualität, Komfort und Feinschliff immer noch weit vorne, was kaum verwunderlich ist. Allerdings bietet Tesla in einigen Aspekten des Elektroantriebs und der Software ein mindestens gleichwertiges, oft sogar besseres Produkt an – und das für deutlich weniger Geld.
Und digitale Features werden für Neukunden immer wichtiger. Insofern wird ein weiterer Vergleich interessant, wenn Audi den neuen Q6 e-tron auf Basis der PPE-Elektroplattform auf den Markt bringt. Der Q6 soll nicht nur preislich besser mit dem Tesla vergleichbar sein, sondern auch einige Kritikpunkte des Q8 e-tron mit seinem vermutlich effizienteren 800-Volt-Antrieb und den Platzvorteilen einer rein elektrischen Plattform adressieren. Gepaart mit der unbestritten guten klassischen Automobiltechnik könnte daraus ein gutes Fahrzeug entstehen – wenn die Software dazu bereit ist.
Berichterstattung von Sebastian Schaal, Deutschland
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